Kletterpflanzen und Spielereien

Wieder kehrt ein wenig Ruhe „drüben im Garten“ ein, was Gartenbauaktivitäten extern betrifft. Intern durchlaufen wir eine kurze, aber heftige Phase, die durch den Wunsch geprägt ist, die verschiendenen Gartenbereiche optisch ansprechend zu gestalten und „auszukleiden“.

„Eigentlich bin ich ja nicht so für Kletterpflanzen“, meint Frank nachdenklich, als er morgens mit seiner Kaffeetasse in der Hand von der Terrasse aus auf das Beet mit den Rhododendronpflanzen blickt.
Es liegt an der etwas trostlos wirkenden Rückseite einer Nachbarshecke und hat noch nicht so recht zu seiner optimalen Form gefunden.
Umrahmt von großen Fliederbüschen und der dominanten, zentral wachsenden, mächtigen Hasel mit dicken Ästen und riesig geformten Blättern, die nun ins Grünliche changieren, fehlt „etwas“.
Auch der Boden ist noch sehr karg durchsetzt mit einer Menge kleiner Steinbrocken und aus dem Erdreich ragen niedrige Wurzeln, die beim Abholzen übrig geblieben sind.

Im Anschluss ist die Blumenwiese erkennbar, von der übrigen Wiese abgegrenzt durch Steinchen, die einen großen Kreis bilden. Von Wildblumen ist noch keine Spur zu sehen, Unkraut macht sich großzügig breit.
„Aber hier in dem Bereich wären vielleicht Kletterpflanzen ganz gut,“ stellt Frank abschließend fest.

Ich muss nicht lange überzeugt werden, da ich bei dem Wort Kletterpflanzen wie Waldreben instinktiv einem Schleier aus filigranen Blüten sehe, der der sein Naturnetz über den Maschendrahtzaun spannt. Rasch eile ich zum Beet, um die Länge abzuschätzen.

„Eine Kletterpflanze je zwei Schritte“, schlägt Herr Gregori vor, den ich sofort telefonisch kontaktiert habe. Wir stimmen überein, dass Waldreben dort gedeihen würden, ebenso Kletterhortensien mit rahmweißen Blüten, sofern genug Sonne wäre, und vielleicht Geißblatt, auch eine hübsche Pflanze für den Halbschatten.
„Achten Sie darauf, Wildclematis zu nehmen, die mit den kleinen Blüten, die werden nicht so leicht von der Welke befallen!“, beschwört er mich. „Clematis montana oder alpina.“

Ein wenig fühle ich mich wie im Rausch, wie ich in meinem Lieblingspflanzcenter die Pflanzen auswähle, noch dazu wo ich die Zeit aufgrund anderer Projekte stehlen muss.
Über schmalen hohen Töpfchen, die ich im Einkaufswagen platzsparend untergebracht habe, ranken an dünnen Holzstäben rührend zarte Pflänzchen, die ja nach Sorte winzige, wippende Blüten angesetzt haben. Bergwaldreben- und Alpenwaldreben.
Auch eine Clematis viticella, eine italienische Weinrebe, reiht sich ein, die erst später im Jahr in einer rosagetönten Farbe blühen wird.
Die Temperaturen sind enorm hoch, doch ich scheine immun gegen die Hitze zu sein. Dafür bin ich auch fast alleine im Pflanzfachgeschäft.

„Drüben im Garten“ mache ich mir gar nicht erst die Mühe mich umzuziehen, tausche lediglich Riemchensandalen gegen kniehohe Gummistiefel zum enganliegenen Rock, den ich noch von meinem Pflichttermin in der Stadt trage.
Wenn die Erde nur nicht so hart und karstig wäre, es kostet enorm viel Kraft, in der allergrößten Hitze mit Hacke und Spaten im Schotter und zwischen stabilen Wurzeln ein tiefes Loch zu graben.
Waldreben sind in schmalen hohen Töpfchen eingepflanzt und möchten somit auch tief gesetzt werden. Um ein Austrocknen der empfindlichen Wurzeln zu vermeiden, wird der Fuß der Pflanze mit Mulch bedeckt.

Am nächsten Tag geht das anstrengende Spiel leider von vorne los, da ich erkennen muss, dass Waldreben auch sehr gut zum zukünftigen Drahtzaun passen würden.
Die Bepflanzung ist nur halbhoch und somit  wäre ein leichter Sichtschutz aus duftigen Blüten zu erwarten.
Bei der Gelegenheit erstehe ich einige Rispenhortensien, die rahmweiße Dolden tragen, was einen hübsche Kulisse zum eher finster gehaltenen Rhododendronbeet erzeugt.

Am Ende bleibe ich bei einer filigran gewachsenen Staude im Topf stehen, Mönchspfeffer, Vitex agnus-castus, einer alten Heilpflanze mit langer Tradition. Sie ist eigentlich ein Halbstrauch, gilt als Bienenweide und öffnet erst spät im Jahre ihre lavendelblauen, duftenden Blüten. Fast ist dann schon Herbst und Farbe wird rar im Garten. Genauso spät aber treibt sie im Frühjahr aus, je nach Witterungsbedingungen kann sich der Austrieb bis in den Juni verzögern.

Auch nach den Goldfischen halte ich flüchtig Ausschau, aber noch fehlt der Sauerstoff  im Teichwasser.

Die kräftezehrende Pflanzphase scheint zum Glück abgeschlossen zu sein, der Brunnen ist mit schwerem, wenn auch handlichem Gerät gebohrt.
Es war gar nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe.
Aus vierzehn Metern Tiefe wird nun Grundwasser hochgepumpt und lediglich ein schmales, niedriges, wenn auch sehr blaues Rohr zeugt von den Bohrarbeiten.

In einer einzigen Stunde ist der ganze Teich randhoch bis über die Steine gefüllt, was ungewohnt aussieht. Die Farbe ist ein milchiges Schilfgrün, was mir gut gefällt und bald werden drei kleine Goldfische den Teich bewohnen. Dies wird eine kleine Attraktion für unser Kätzchen Geany bedeuten, ihr Lieblingsplatz ist derzeit das weiche Vlies, das unter der Teichfolie zum Vorschein gekommen ist.

Von den Gießarbeiten bin ich im Moment etwas enttäuscht.
Das Wasser schießt mit enormem Druck aus der Leitung und füllt den Schlauch bis zum Bersten. Er fühlt sich an wie aus Stahl.

So manchesmal ertönt ein ohrenbetäubender Knall, wenn der Schlauch durch den mächigen Druck birst. Da ich beim Gießen dazu neige, in allen Richtungen zu verdrehen, bin ich die Hälfte der Zeit nur mit dem Entwirren der dicken, harten Knoten beschäftigt, die das Wasser abdrücken. Die andere Hälfte der Zeit ist allerdings dadurch eingespart, dass eine enorme Menge an Wasser dem Schlauch entspringt, was wiederum nicht günstig ist für die frisch gesäte Blumenwiese.
Es verdirbt mir die Lust am Gießen und so überlasse ich manches der Mutter Natur.
Dafür stellt Frank mit Begeisterung den Sprenger auf, so dass auch die Fenster im Obergeschoß zum ersten Mal überhaupt mit Wassertropfen in Berührung kommen.

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