Endspurt

Bald werden die Gartengestaltungsarbeiten in den Endspurt gehen.
Der Brunnen fehlt noch, die gesamten Teichpflanzen und das Granitbecken für das Regenwasser.
Dann kann das Maschendrahtnetz zum Nachbarsgarten hin endgültig gespannt werden. Auch das „Gatter“ wird wieder ordentlich in seine Angeln gehängt werden. Der Durchgangsbereich muss anschließend gelockert und frisch angesät werden, da die Erde zu einer steinharten Schicht festgetreten ist.
Die Gartenskizze ist nahzu fertig.

Es ist heiß, einfach nur heiß. Temperaturen bis sechsunddreißig Grad werden zur Regel.
Wenigstens nachts kühlt es etwas ab. Anfangs, dann weicht die Hitze gar nicht mehr aus dem Haus.
Frühmorgens wässere ich schon im alten Garten, später wird drüben im Garten gesprengt.
Hortensien lechzen nach Wasser, die Blätter des kleinen Apfelbaumes sind verbrannt, doch frisches Laub treibt wieder aus.

Die Wasserstellen sind sehr begehrt. Besonders die neue Feuerschale, die bereits mit einer kupfernen Patina überzogen ist, wird gerne von Kolkraben und Eichelhähern zum Erfrischen benutzt, wenn sich Regen- oder Gießwasser gesammelt hat. Jeder Tropfen ist eine kleine Rarität.

Am Freitag Nachmittag ist nach längerer Pause wieder ein Termin anberaumt in einem großen Bausstoffhandel außerhalb von München, um  Steine auszusuchen für den Teich.
„Wieviel Puffer sollen wir einplanen?“, frage ich Frank schmunzelnd und wir einigen uns auf eine Stunde Verspätung.

Pünktlich auf die Minute sind wir da und machen einen gemütichen Rundgang durch die Ausstellung, die sehr anschaulich Teiche, kleine Bachläufe, Terrassenbeläge, Granitwasserbecken und Pflanzen demonstriert. Über Steintreppen aus unterschiedlichen Materialien, die am Rande mit Lavendel und Melisse bewachsen sind, wandern wir durch Torbögen hindurch, um die sich Rosen schmiegen. Das Plätschern des Teiches simuliert den Eindruck von Frische, was täuscht.
Wir streifen große Stahlkörbe bepackt mit dekorativen Steinen, doch eine Ecke zieht mich wie magisch an. Sie liegt im Schatten an einer kühlen Hauswand und Bänke und kleine Hocker aus Granit laden zum Rasten ein.

Plötzlich sehe ich Herrn Gregori suchend auf uns zukommen und schaue unwillkürlich verstohlen auf die Uhr.
Er begrüßt uns wie immer voller Sympathie und ich frage leicht verhalten: „Sollen wir gleich den Rundgang über die Steineausstellung machen? Es gibt so schöne Pflanzen zu sehen.“
„Aber ja“, meint er begeistert, „Dann können Sie notieren, was Sie gerne noch hätten.“
„Eigentlich bin ich vollauf zufrieden“, antworte ich matt und sehe im Geiste die Fülle der Kräuter, Stauden und Rosen vor mir.

Wir schlendern durch die brütende Nachmittagshitze. Herrn Gregori scheinen die hohen Temperaturen nichts auszumachen, wie ich neidvoll fesstellen muss. Er wirkt gelassen und in sich ruhend wie immer.
Immer weiter geht die Tour über kleine Höhen und Tiefen wie in einem richtigen Steinbruch und ich sondere mich etwas ab. Immer schneller werden meine Schritte, um so rasch wie möglich zum Eingang unter dem Dach zu gelangen. Endlich Schatten. Erleichtert setze ich mich einen Moment auf einen der abgerundeten Marmorblöcke.

Die beiden Männer kommen heran und ich stehe abrupt wieder auf.
„Bleiben Sie doch sitzen“, meint Herr Gregori in gewohnt aufmerksamer Weise. „Jetzt suchen wir uns dann einen Schattenplatz bei den Tischen“, tröstet er mich, „und dann besprechen wir das Weitere.“
Unbewusst wähle ich einen Tisch aus, der so groß wie eine Festtafel ist und wir sitzen etwas entfernt voneinander. Der Marmor fühlt sich ganz rau an, der Stein ist angenehm kühl.

„Sind die Kräuter gut gewachsen?“, fragt Herr Gregori interessiert und ich fühle mich gleich wieder neu belebt.
„Aber ja“, schwärme ich, „und die Rosen sind auch alle aufgeblüht.“
Er nickt freudig.

Wir kommen auf den Teich zu sprechen, für den wir breits Trittsteine aus Gneis in einem hellen erdigen Ton ausgewählt haben. Auch die Granitplatten für den kleinen Wasserfall sind bestellt.

„Sollte der Teich für die Befestigung eigentlich Wasser haben?“, frage ich Herrn Gregori etwas ratlos.
„Nicht unbedingt“, meint er ausweichend, „aber warum fragen Sie? Hat er denn kein Wasser mehr?“ Besorgt hat er die Stirn gekräuselt.
„Ja“, bestätige ich, „er ist völlig leer gepumpt.“
„Warum denn das?“, wundert sich Herr Gregori und ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel.

„Das Wasser war so trüb, da die Teicherde hinunter gelaufen ist“, gibt Frank knapp Auskunft.
„Ja gut“, meint Herr Gregori, „aber fünf bis sechs Jahre sollte er in Zukunft schon aushalten.“
„Wenn wir am Dienstag den Grundwasserbrunnen haben, füllen wir wieder auf,“ kann Frank uns beruhigen.
„Und dann kommen die Goldfische rein, oder?“, vergewissert sich Herr Gregori und schaut uns prüfend an.

Wir zögern etwas und er hakt freundlich nach. „Was spricht denn gegen die Fische?“
„Sie machen so viel Unrat, und wenn wir wieder auspumpen wollen, wohin dann mit den vielen Tieren?“, fasse ich unsere Bedenken kurz in Worte. „Was spricht denn für die Fische?“
Herr Gregori holt etwas weiter aus. „Sie sehen schön aus und es ist Natur. Sie dürfen natürlich nicht füttern, die Fische sollen Fliegenlarven und Algen fressen. Im Winter bleiben sie im Wasser. Der Teich ist tief genug.“

Das Wort Fliegenlarven scheint Frank und mich augenblicklich zu überzeugen.
„Wieviele sollen es denn sein?“, erkundige ich mich und er meint. „Einer fühlt sich einsam, drei Fische vielleicht? Vielleicht kommen auch noch Frösche oder Kröten und quaken in der Nacht“, schwärmt Herr Gregori  und sein Tonfall wird ganz sanft dabei. „Viele Leute stören sich daran, ich mag es sehr.“

„Herr Gregori“, sage ich am Ende unserer Unterhaltung in leicht gedehntem Ton. „Ich glaube, ich mag doch etwas Gelb im Garten haben. Sonst ist es so eintönig. Die vielen Hortensien und Rosen blühen jetzt alle nur noch in Rosa.“
„Da bin ich aber froh“, seufzt er erleichtert, „denn sonst würden wir uns schwer tun bei der Auswahl der Sumpfpflanzen. Dotterblumen wären gelb, Schwertiris können wir in blauen und lilafarbenen Tönen nehmen, wie sieht es mit Frauenmantel aus? ist das noch Gelb?“
Sein Blick heftet sich nachdenklich auf das gegenüberliegende Mäuerchen, an dem Frauenmantel in limettengelber Farbe aus all den Ritzen quillt und die Steine berankt.
„Frauenmantel macht außerdem schnell dicht“, überlegt er weiter.

Ich folge seinen Augen und versuche meine Assoziationen in Worte zu fassen.
„Es ist eigentlich kein richtiges Gelb“, stelle ich fest, „mehr gelbgrün, ähnlich wie eine Limette getönt. Nicht aufdringlich bunt, sondern zurückhaltend und dezent.“

Wie so oft sind wir Drei uns in allen Punkten einig geworden, da wir offenbar demselben Farbtypus angehören.

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