Das Lächeln des Winters (letzter Teil)

Der Garten wandelt sich zusehends, wenn Pflanzen in ihr Winterkleid schlüpfen und sich Zeit dabei lassen.
Dann wird auch die „Wintermaske“ aufgetragen, mit ein wenig Schneepuder, Glitzerforst oder Beerenglanz.

Farbe wird rar.
Die letzten Rosenblüten, die meist sehr lange am Strauch haften, lenken von blattlosen Bäumen und Gehölzen ab.
Nun trumpft der Rhododendron mit seinen wie lackiert wirkenden Blättern auf, zarte Christrosen, die Winterblüher unter den Stauden, mit schwellenden Knospen.
Japanische Lavendelheide ziert den gesamten  Winter hindurch das Beet mit immergrünem, an den Spitzen orangerot getöntem Laub.

Kleine Details rücken in den Vordergrund wie die rot glänzende Rinde von Hartriegel, die fein gedrechselten Korkleisten des Pfaffenhütchens oder die kräftig violetten Beeren der Schönfrucht – Callicarpa bodinieri, der Liebesperlenstrauch – auch wenn unser Strauch derzeit noch zu klein ist.

Die Natur liefert bezaubernde Motive, die es nur im Winter zu sehen gibt wie gefrorenes Wasser in der Tränke, Binsen am Teich, die der Frost zu einem Scherenschnitt herausgearbeitet hat.
Das selbst fabrizierte Futterherz baumelt am Strauch, der mit Körnern gespickte Tannenzapfen oder ein Eistaler mit Früchten und Samen, der nach der ersten Frostnacht zu schmelzen beginnt.
Und bald wird es die letzten und zugleich ersten Blüten im Jahr zu bestaunen geben, wenn der Winterschneeball seine ganze hellrosa Pracht zeigt in einer lichtarmen Zeit.

Einen Seidelbast habe ich noch so spät im Jahr erstanden, der wie ein unliebsames Stiefkind im hinteren Ende einer Stellage des Pflanzcenters abgestellt und stark im Preis reduziert war. Die Tatsache, dass die Pflanze in allen Teilen sehr giftig ist, ist ein Wermutstropfen, der die Freude etwas trübt.

Die letzten verschrumpelten Mostbirnen liegen verstreut am Boden, der ausgepresste Saft hat leider bitter geschmeckt.
Auch Zierquitten haben die eine oder andere hellgelbe Frucht abgeworfen. Am Strauch sollen sie Nahrung für die Vögel bieten, wenn die kalte Jahreszeit kommt.

Einer der neuen Rhododendren macht mir Sorge, da er trotz regelmäßiger Wassergaben alle Blätter hängen lässt.
Besorgt rufe ich Herrn Gregori an. Es regnet in Strömen.
„Können Sie schnell hinausgehen und sehen, ob der Rhododendron sich jetzt erholt hat nach dem kräftigen Regenguss?“, drängt Herr Gregori.

Der Regen trommelt auf das Dachfenster.
„Nein, ich bin im ersten Stock, das dauert zu lange“, weiche ich aus.
„Dann graben  Sie den Buschen morgen aus und sehen nach. Wahrscheinlich  war der Torf im Pflanzloch nicht genügend gewässert.“

So ist es dann auch, das Pflanzloch ist völlig ausgetrocknet. Letztendlich soll sich nach vielen Bemühungen aber herausstellen, dass die schöne Pflanze von der Rhododendronwelke befallen ist, deren Ursache ein Pilz ist, welcher die Leitungsbahnen verstopft und somit die Flüssigkeitszufuhr unterbindet. Die Pflanze muss leider entsorgt werden.

Der erste Frost ist da.
Nun muss es schnell gehen, den Garten winterfest zu machen.
Dahlienknollen werden ausgegraben, Kübelpflanzen wandern ins Kalthaus. Frostempfindliche Stauden am Teich nehme ich vorsichtig mit dem Spaten heraus und setze sie in Töpfe mit einem Gemisch aus Sand und Erde.

Es ist November geworden und an bestimmten Stellen überzieht den Rasen bereits ein weißes Geflecht aus Kristallen, das in der Morgensonne funkelt.
Noch erwarte ich ein Päckchen mit Frühlingsalpenveilchen Cylamen Coum, die ich unter den Flieder setzen möchte.
Scilla treiben bereits, Frühlingsanemonen haben zartes Blattwerk gebildet.

Zwei historische Rosen habe ich noch aus dem Winterlager einer Gärtnerei ergattern können, deren Blüten aufgrund ihres Duftes bestens dafür geeignet sind, sie in der Naturkosmetik weiterzuwenden für ein Hydrolat aus der Destille  oder eine Tinktur.

Ein Gartenjahr möchte Abschied nehmen, wobei sich ein vielleicht letztes Highlight mit besonderer Intensität einprägt hat.

Tagsüber herrscht sonniges Wetter mit angenehm milden Temperaturen. Heute erst mähe ich die Blumenwiese vollständig ab, was einen betörenden Duft nach Heu aufsteigen lässt, der lange in der Luft hängt.
Die Äste der Fichte, die nach schweren Stürmen den Wurzelbereich bedeckt haben, sind  wieder aufgesammelt. Die abgenagten Tannenzapfen stapele ich in Kisten und Körben.
Abends wird es schnell trüb und kalt und darum wird heute ein kleines Feuer in der neuen Feuerschale entzündet. Der Wunsch kommt überraschend.

Mit zwei Windlichtern bahnen wir uns einen Weg durch die beinahe nachtschwarze Finsternis zur Feuerstelle. Die Trittsteine zeichnen sich eine Spur heller ab. Frank leuchtet mit der Taschenlampe, ich hole einen Korb mit Tannenzapfen und eine große Menge trockenen Reisig. Auf einem Tischchen stehen zwei Gläser bereit.
Rasch fangen die Zweige Feuer und knistern und knacken dabei. Die Flammen züngeln sanft im Nachtwind. Ein würziger Duft nach Harz breitet sich aus, eine wohlige Wärme umfängt uns.

Mit diesem behaglichen Bild möchte ich das Gartenjahr beschließen.
Ich scheine wieder emanzipiert zu sein. Dreißig Jahre Hobbygärtnerei haben mich längst ein Gespür entwickeln lassen, um den Garten in Form zu halten.

Einige Tage vor Weihnachten, an einem Nachmittag, der sich sonnig und angenehm warm präsentiert, darf ich meine tägliche Zahlenreihe mit der Zahl „Zehn“ beschließen. All meine Goldfische haben sich nahe der Wasseroberfläche versammelt und funkeln im Licht der niedrig stehenden Sonne. Wintersonnwend.
Nach dem Gartenjahr ist vor dem Gartenjahr.

Nachtrag: Und natürlich geht es „Drüben im Garten“ weiter!

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