Obstbäume…

Endlich gehe ich hinaus und schlängele mich durch die Zaunlücke, wo das Erdreich schon festgetreten ist.
Geany beobachtet mich mit skeptischem Blick vom sicheren Fenstersims in der Küche.
Es ist windig und beinahe heiß heute, der Garten übersät mit den rosa Blütenblättern der Zierkirsche.

Der Anhänger ist ganz drüben an der nächsten Grundstücksgrenze zur Eisfabrik geparkt.
Ein Zaunfeld ist wie ein Weidegatter weit geöffnet. Die Ladefläche des Lasters ist bereits voll beladen mit dickem Geäst. Die Stämme werden in handliche Stücke zersägt und liegen ordentlich aufgeschichtet an einer trockenen Stelle, dort wo unsere Kiefer ihre Äste schirmförmig ausbreitet.

„Was ist mit den beiden Pflanzen hier?“, frage ich einen der Gärtner misstrauisch und deute auf die schlankgewachsenen Birnbäume. „Dürfen die bleiben?“
„Die kommen noch weg“, meint er ein wenig zögernd.
„Wer hat das denn bestimmt?“, versuche ich herauszubekommen und ringe mühsam nach einem ganz bestimmten Wort. „Göttergatte?“, frage ich, erleichtert darüber, den passenden Begriff rasch gefunden zu haben.
„Ja“, lächelt der Gärtner,  „Göttergatte. Er fürchtet, die stünden im Weg.“
„Damit leichter gemäht werden kann?“ kombiniere ich und kräusele die Stirn. „Aber die sind doch nicht kaputt?“ Der hoffnungsvolle Unterton, der in meiner Frage mitschwingt, ist mit Sicherheit  nicht zu überhören.
„Aber nein“, beruhigt mich der Gärtner, „die kann man alle verjüngen. Der Efeu muss weg und der Wildwuchs, dann bekommen sie auch wieder Luft.“

Wir einigen uns, die Bäumchen kräftig zurückzuschneiden, von Efeu zu befreien und dann gemeinsam zu beratschlagen, wie es weitergehen soll.
Einer der Birnbäume wird uns später im Herbst die süßesten Früchte schenken.

Am späten Nachmittag ruft Herr Gregori aus Italien an.
„Und wie sieht es aus, sind sie am Arbeiten“, forscht er ohne lange Umschweife.
„Ja“, stoße ich ganz beglückt hervor, „und das Bäumchen kann bleiben.“
„Welches Bäumchen?“, fragt er alarmiert, „der alte Apfelbaum etwa? Treibt er denn aus?“
„Ja, und er wurde kräftig zurückgeschnitten“, antworte ich beschwichtigend. „Sie wissen doch, ich  möchte die Bäumchen noch retten.“
„Ich hatte gehofft, die würden erst mit dem Zaun beginnen und die Latten entfernen“, klagt Herr Greogori, doch ich kann ihn besänftigen.
„Sie können dann ja am Montag schauen, wie die Bäumchen wirken. Herausgeschnitten ist schnell.“ Ich wünsche ihm eine gute Fahrt nach Hause.

Feierabend.
Die Gärtner haben die Leitern ordentlich an die Bäume gelehnt und die Schubkarren etwas zur Seite auf den Kopf gestellt. Ein großer Erdhaufen ist schon am Zaun ausgebracht, um später das Gefälle ausgleichen zu können.
Ein Tropfen auf den heißen Stein.

Vorsichtig nehme ich Geany auf den Arm und mache einen Erkundungsgang.
Es ist still und friedlich. Ein wunderbares Stück Natur erschließt sich in einer Weite vor mir, wie ich es mir nicht hätte träumen lassen.
Geany gräbt beglückt im Erdhaufen, ich stehe mitten im weichen Moos und lasse die Abendsonne ins Gesicht scheinen. Das Areal wirkt licht und freundlich, völlig ungewohnt hier drüben im Garten.
Für Morgen ist Regen angesagt, was die Arbeiten verzögern wird. Aber das Nass wird gut für die Pflanzen sein, damit sich die trockenen Äste nach dem radikalen Schnitt etwas erholen können.

Natürlich kommen durch den Rückschnitt und einige Rodungsarbeiten auch dürre Hecken von hinten zum Vorschein und Holzschuppen errichtet an altersschwachen Zäunen. Schattenseiten.
Ein paar Latten am  morschen Zaun haben wir notdürftig zurechtgezimmert und mit einem stabilen Querbalken verstärkt. Gleich sieht das Gebälk durch das frische Holz gefälliger aus.

Das Moos bleibt, versuche ich mich zu beschwören und bald wird alles wieder austreiben und unschöne Stelle kaschieren.
Das Wichtigste für den Moment ist, dass der alte Baumbestand gerettet werden konnte.
Bleibt nur zu hoffen übrig, dass Herr Gregori das auch so sehen wird.

Unser großer Sohn kommt kurz mit dem Fahrrad zu Besuch und wir Drei gehen nach drüben in den Garten.
„Eine richtige Idylle“, stellt Alexander nüchtern fest.
„Und das mitten in München“, vervollständige ich den Satz.
„Na ja,… wohl eher am Rande der Stadt“, korrigiert er mich nachsichtig und ich staune wie so oft darüber, wie verklärt ich scheinbar mein Umfeld und die Fakten wahrnehmen  kann.

„Wer mäht das alles?“, wundert sich Alex und ich antworte leichthin: „Das ist doch  nur Moos. So viel ist nicht zu Mähen bei der großen Moosfläche.“
Frank und Alex verziehen skeptisch das Gesicht.

Geany gräbt ihr Näschen zwischen abgeschnittenen Ästen, die zu kleinen Haufen aufgeschichtet sind, und schnuppert verzückt an der würzigen Erde.
Es ist eine eisige Luft heute, ich fröstele und gehe zu dem kleinen Mäuerchen, auf dem unser alter Zaun befestigt war.
Die Sonne wärmt mit ihren sanften Abendstrahlen, Kirchturmglocken läuten melodiös den Abend ein. Sofort springt Geany auf meinen Schoß und beginnt ganz sachte zu schnurren.
Es ist friedlich, zweifelsohne, dennoch keimt der feste Vorsatz, für jedes Mal Rasenmähen oder ausgiebiges Unkrautzupfen eine kleine Unternehmung außer Haus einzuplanen.

SeerosenVielleicht zum Eisessen in Richtung Nymphenburger Schlosspark zu fahren, obwohl wir beide gar kein Eis mögen? Oder in den Park zu spazieren, um die vielen Seerosen abzulichten und neue Anregungen für den Garten zu holen…

 

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