Beziehungen

„Frau Nachbarin, kommen Sie schnell rüber!“, fordert mich eine klare, südländisch gefärbte Stimme von drüben im Garten am Zaun auf.
Der weiße Lieferwagen der Eisfabrik ist bereits feierabendmäßig vor dem Bau geparkt.

Ich bekomme einen Schreck und überlege, ob unser Nebenan sich gestört fühlen könnte in seinem Betrieb durch das geschäftige Ein- und Ausgehen am gemeinsamen Zaun. Schnell steige ich in meine Stiefel und marschiere nach drüben.

„Das ist für Sie“, sagt der junge Italiener freundlich und reicht mir zwei große Pappschachteln durch die Büsche. „Der  Chef hat gesagt, ich soll Ihnen das geben!“
Völlig überrascht öffne ich einen Karton und sehe Eiscreme in kleinen Bechern. Walnusseis mit winzigen Nussstückchen, zehn appetitliche Portionen Schokoladeneis.

„Das ist ja toll, eigentlich müssten wir uns doch revanchieren?“, bedanke ich mich überschwänglich,„kann ich das Eis auch kaufen?“
„Nein, nein, das ist ein Geschenk des Hauses“ versichert mir der Chef , der hinzukommen ist. Wir unterhalten uns ein wenig und ich erfahre, dass er zwei Eisdielen in München betreibt. Zutiefst beglückt eile ich mit dem Eis ins Haus zurück, da es bereits zu schmelzen beginnt.
Der Beginn einer angenehmen und friedlichen Nachbarschaft zeichnet sich ab.

Am  nächsten Tag kommt das Team der Gartenbauer schon etwas früher, da das Wochenende vor der Tür steht.
Unsere Wünsche haben ihre Pläne durchkreuzt.
Um den Tümpel auszuheben, ist der Bagger stundenlang im Einsatz und läuft buchstäblich heiß, so dass die Arbeiten unterbrochen werden müssen.
Die Erde wird rings um die Grube herum gehäuft. Der wulstige Rand wird immer höher.
Zusätzlich wird am Rand ein kleineres Loch ausgehoben, in das überfließendes Wasser bei Starkregen sickern kann. Bedingt durch den Klimawechsel erscheint es realistisch, dass der Teich ab und zu überlaufen wird, da Extreme zwischenzeitlich keine Seltenheit mehr sind.
Ich sehe den Obstgarten bereits unter Wasser stehen, aus dem die dünnen Baumstämme wie dünne Stegpfosten an einem oberbayerischen See ragen.

„Wir machen den Teich dann später in Ruhe fertig, nach den Feiertagen“, beschließt Herr Elau, der Chef der Gartenbauer, nachdenklich, und bringt mich in die Wirklichkeit zurück. Frank und ich nickend zustimmend mit dem Kopf.
„Sie müssen auch noch eine Liste  machen von den Pflanzen, die Sie gerne im Teich haben möchten.
Manche reinigen das Wasser wie beispielsweise Binsen, Zwergrohrkolben oder das Sumpfvergissmeinnicht. Sauerstoff würde auch eine kleine Pumpe liefern.“
Wir nicken wiederum.

Es ist eine kurze Pause eingeplant, die ich dafür nutzen werde, Akeleien, Eisenhüte und all die kleinen Stauden neu zu quartieren. Heute ist die allerletzte Gelegenheit dafür, da sie bereits völlig ausgetrocknet im Erdreich liegen.
Ab sofort ist intensives Gießen angesagt. Das Beregnen der frisch angesäten Rasenfläche, dort wo einstmals der alte Zaun gestanden ist, das Bewässern der versetzten und zwischengelagerten Pflanzen.
Wie lautet mein Vorsatz – für jede Runde ausgiebiges Bewässern eine kleine Museaktion einzuplanen wie Eisessen im Milchhäusl des Botanischen Gartens?

Bis Einbruch der Dunkelheit ist es geschafft. Die Pflänzchen sind an der Rundung eines bereits bestehenden Beetes eingesetzt, das sich nun erheblich vergrößert hat. Ein mächtiger Kirschlorbeerbusch deutet den Übergang von Alt und Neu an. Bislang hat er den Umzug unbeschadet überstanden.
Da das Gefälle auch hier recht deutlich zum Vorschein kommt, muss ich viele Eimer Erde des Aushubes vom Tümpel ausbringen, bis das Gelände angeglichen ist. Eine Schicht Rindenspäne deckt alles orgentlich ab.

Und ich erkenne, dass es drüben im Garten „naturnah“ bleiben muss mit locker gepflanzten, einheimischen Sträuchern, die sich harmonisch in das Bild der Obstbäume und Fliederbüsche einfügen.

 

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