Zeit zum „Konservieren“

Natürlich war ich voreilig, da die Kräuterbeete noch mit sandiger Erde aufgefüllt werden müssen.
Behutsam nimmt einer der Gartenbauer die zarten Pflänzchen aus dem Erdeich und legt sie zur Seite.

Schnell habe ich ein neues Wirkungsfeld gefunden und schneide junge Fliedertriebe ab, säubere die gesamte Längsseite zur Eisfabrik vom Wildwuchs der Büsche, die ihre Zweige durch und über die Zaunlatten hinweg zu uns recken. Der Kompost ist bereits randvoll.
Beglückt entdecke ich ganz in der Ecke ein paar dicke Zweige von Wicken, die an der Zaunsäule hochranken und mit purpurfarbenen Blüten besetzt sind.

Einer der Gartenbauer, der mein Schaffen beobachtet, versucht meinen Elan etwas zu bremsen und meint vorsichtig: „Der Flieder sieht doch schön aus und duftet, wenn er blüht.“
„Stimmt“, antworte ich friedlich und räume meine Eimer an den Rand.
Dennoch kann ich so besser auf die Kulisse der frisch gesetzten Rhododendren sehen und auch Waldreben, die an einem altem Fliederbuschen und der Bluthasel klettern, lassen sich vom Sitzplatz auf der Küchenterrasse erahnen.
Langsam lerne ich meine Pflanzen kennen.
Hier am Rand der großen Fichte gedeiht eine alte Forsythie, die zumindest einen Hauch von Gelb in den Frühjahrsgarten zaubern wird. Sie ist in einen Fliederbuschen hingewachsen, wobei die Kombination mit Weiß sehr schön harmoniert.

Der neue, geschlängelte Gartenweg und das Sitzplatzrondell sind dick mit Erde bedeckt, damit die Rasenfuge gedeihen kann. Ein wenig vermisse ich die dekorativen Pflastersteine, die unter der Schicht verborgen sind. Aber die  nächsten Gewitter sind angekündigt.

Einige Kräuter haben den Kräutergarten in seiner Vielfalt erweitert.
Borretsch, Salbei und Zitronenverbene – Aloysia citrodora – deren ätherisches Öl ein intensives, zitronig frisches Aroma verströmt. Da der Zitronenstrauch – er ist ein Halbstrauch – nur bedingt forsthart ist, überwintere ich ihn im Kalthaus. Er treibt allerdings sehr spät im Frühjahr aus.

Auch Argentinisches Eisenkraut, Verbena bonariensis, als alte Heilpflanze bekannt, lässt ihre violetten Blütenstände auf langen, krautigen Stielen tänzeln.
Diese Staude zählt nicht zu den frostharten Pflanzen, aber sie versamt reichlich und treibt im Frühjahr an Stellen aus, die für Überraschung sorgen.
Der Nektar ist zudem von Bienen und Schmetterlingen begehrt. Und sie übersteht heiße trockene Sommer ohne besondere Ansprüche.
Die hellen Rispen der Prachtkerze wippen im Wind, Bauernhortensien sind voll aufgeblüht und tragen rosafarbene Dolden, die wie Waben aussehen.

Und genau hier an dieser Stelle muss eine Änderung meiner Gewohnheiten eintreten.
Der Garten und seine Früchte müssen auch genutzt und die Ernte zu Gerichten, Tinkturen oder Ölauszügen weiterverarbeitet werden.
Reife Kräuter für Küche und Gesundheit fordern geradezu auf, kreativ tätig zu werden.
Die Schwelle zum Sommer und zur zweiten Halbzeit im Gartenjahr ist bereits deutlich überschritten. Vom Kirschbaum sind die ersten wachsig überzogenen, wenn auch unreifen Kirschen gefallen. Ein Signal für Hochsommer.
Rosen gehören nochmals destilliert und zu ein wenig Rosenwasser verarbeitet, auch wenn der zweite Flor erst stattfinden muss.
Waldmeisterblüten habe ich im Frühjahr großzügig abgeschnitten und zu kleinen Sträußen gebunden getrocknet. Die Blüten werden später in kleine Säckchen gesteckt zusammen mit Lavendelrispen, Melisse und Rosen, was ein duftendes Potpourri ergibt.

Holunderblütensirup ist in Flaschen gefüllt, aber das Zubereiten von Gelee aus den allerletzten Blüten des späten Frühlings darf als traditionelle Handlung nicht fehlen.
Auch Rosenessig ist leicht herzstellen, schwierig im Handel zu beziehen, sieht aufgrund seiner kräftigen Farbe wunderschön aus und passt gut zu Blattsalaten.
Selbst gemachter Rosenzucker und würziger, grob gemahlener Rosenpfeffer können mit wenig Aufwand in ein hübsches Glas oder eine kleine Mühle gefüllt werden.
Es gibt keinen Zweifel, ich muss mich wieder intensiver meiner „Gartenküche“ widmen.

Die nächste Hitzewelle ist angekündigt, was bedeutet, dass Hortensien sehr leiden und ihre Blütenbälle welken werden. Doch genauso rasch füllen sie sich wieder mit Leben, wenn sie gewässert werden.
Wenig später versetze ich die Bauernhortensien allerdings an andere, schattige Stellen des Gartens und fülle die Lücken mit einem kleinwüchsigen Schmetterlingstrauch und einer Kornellkirsche, welche sonnige Standorte lieben.

Der Gemüsegarten hat sich üppig entwickelt.
Pflücksalat gehört täglich auf den  Speiseplan, Feldsalat säe ich immer wieder nach. Lavendel wächst in Gesellschaft von rötlich geädertem Kohlrabi, was ein hübsches Paar abgibt.
Zinnien sind hoch aufgeblüht in kräftigen Farben. Später tausche ich sie durch Levkojen aus, die sich durch ihren zierlichen Wuchs unauffälliger zum Gemüse einfügen und zudem für Überraschung sorgen, da man ihren Blütenknospen nicht ansehen kann, in welcher Farbe sie blühen werden. Wenn es dunkel wird, verströmen sie zudem einen süßlichen Duft, der an Nelke, Muskat oder Vanille erinnert.

Ein kleiner Teil des Gemüsebeetes ist für Heilpflanzen wie Ringelblume und Arnika reserviert, um daraus eine Salbe zu rühren oder einen alkoholischen Auszug gegen Entzündungen bei Mückenstich geplagter Haut herzustellen. Für ein Fläschchen Arnikatinktur wird die Ausbeute reichen.
Salbei und Echinacea aus dem Kräuterbeet warten darauf, in einem Heilhonig für Erkältungskrankheiten und zur Stärkung der  Abwehrkräfte  weiterverarbeitet zu werden. Beide Heilhonig-Sorten schmecken hervorragend im winterlichen Früchtetee.

Einen Kräuterdrink möchte ich ansetzen, dafür habe in einer Gärtnerei Indianernesseln, Monarda fistulosa, erstanden. Die neuen Pflänzchen fügen sich als Präriestauden wunderbar zu den Kräutern am Zaun ein und sehen mehr als dekorativ aus mit puruprfarbenen oder auch rostroten Federnbüscheln, die sie wie Indianer als Schmuck tragen. Zusammen mit Zitronenmelisse, Minze und Estragon soll dies ein ein erfrischender Eistee werden.

Je  umfangreicher und vielfältiger die Vorräte an „eingemachten Produkten“ für Gesundheit, Wellness und Ernährung aus dem Garten sind, desto größer ist die Freude im Winter.

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