Jahreswechsel

ObstgartenDas neue Jahr hat begonnen. Der Jahreswechsel ist so schön wie seit langem nicht, da alles tief verschneit ist.  Zu Siebt stehen wir um Mitternacht eine ganze Stunde lang vor unserem Haus auf der Straße, um den Nachbarn ringsum Glück zu wünschen. Das Glück ist regelrecht anwesend, der Himmel erhellt von bunten Lichtsäulen, die in den verschiedensten  Farben erstrahlen, die Landschaft verklärt durch den Schneeglanz.
Wie friedlich und unberührt sieht es am Neujahrsmorgen drüben im Garten aus. Eine makellose Schneedecke hat den Boden verhüllt, durchbrochen von den Obstbäumchen, die auf schlanken Stämmen mit dick eingepuderten Wipfeln  herausragen.

Mein Entschluss festigt sich und ich hoffe auch standhalten zu können, möglichst viele der alten Bäume zu erhalten. Der Schnee ist so schwer, dass ein knorriger Stamm eines Bäumchens in zwei Hälften gespalten worden ist und quer am Boden liegt.
Geany balanciert graziös wie auf einem Schwebebalken und wirft mir einen triumphierenden  Blick zu.

Ein naturbelassenes Fleckchen Erde soll es bleiben,  mit Kräuterbeeten, durch Findlinge und Kieselsteine voneinander getrennt. Mit Beerensträuchern und Wildrosen, vielleicht einer seltenen Zistrose oder historischen Duftrosen. Vielleicht  mit einem Quittenbäumchen, da das Gelee so gut gelungen ist? Der Wunsch nach einer kleinen Destille aus Kupfer drängt sich auf, um Hydrolate aus Rosen, Lavendel oder Mädesüß selbst herstellen zu können als Grundlage für meine Naturkosmetik.
Der Garten nimmt immer mehr an Gestalt an, wobei alles und nichts möglich ist, was beruhigend und spannend zugleich ist in seiner Ungewissheit.

Ist dies ein Omen? Der orkanartige Wind der vergangenen Tage hat das hübsche Windspiel, eine Urlaubserinnerung an Amerika von indianischen Ureinwohnern, das Glück bringen soll, vom Zierkirschenbaum geweht. Ein wenig wehmütig habe ich das filigrane Gebilde aus Metall in den Schuppen gelegt. Lohnt es sich überhaupt noch, es an seinen ursprünglichen Platz aufzuhängen, wo es bereits am frühen Morgen beim Blick durch das Küchenfenster gefunkelt hat?

Viel Zeit ist seitdem vergangen. Eine Menge hat sich naturgemäß verändert.
Früh morgens leuchtet schon mein kleines Kräuteraromalämpchen mit einem Teelicht beheizt am Küchenfenstersims und eine geschwungene Schwelspur tänzelt nach oben.
Der Winter hat sich heuer von seiner besten Seite gezeigt.
Wochenlang hat er eine dicke Schneedecke ausgebreitet, so dass die Pflanzen gut geschützt vor frostigen Temperaturen waren. In schattigen Ecken hat sich bis Anfang März ein Rest Schnee gehalten. Alle Arbeiten im Garten haben geruht und so konnte Wichtiges erledigt und Neues vorbereitet werden.
Der neue Garten drüben liegt in weiterer Ferne, das klaffende Loch im Zaun mahnt dennoch demonstrativ, wann immer der Blick darauf fällt.

Dann, im noch ganz jungen Monat März, als auch das letzte Schneehäufchen an der schattigen Nordseite geschmolzen ist, ist es plötzlich soweit. Die Gartensaison wird ein wenig hastig eingeläutet. Der erste Sack Erde steht bereit, die überwinterten Pelargonien ziehen in größere Töpfe um. Sämtliche Reisigzweige werden aus den Pflanzschalen und von den Beeten genommen. Einige Hornveilchen, teils noch vom letzten Herbst, die sich beinahe in der frischen Erdschicht verlieren, ersetzen die dürren Zweige durch fröhliche Farbtupfer.

Nun kann ich es kaum mehr erwarten und rufe Herrn Gregoris Nummer am Bildschirm ab.
Vorfrühling„Jaaa, wann hätten Sie denn Zeit?“, fragt er gedehnt und ohne lange Umschweife und mir wird klar, dass seit dem letzten Termin im November nicht allzu viel passiert sein wird. Es eilt ja auch nicht, wie wir ihm immer wieder versichert haben.

„Ich muss erst nochmal alles abschreiten und genau sehen, wo welcher Baum steht“, erklärt Herr Gregori, „und dann kann ich den Plan richtig zeichnen.“
Wir vereinbaren einen Termin ein paar Tage später.

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